BERICHT: einige aktivitäten vom mai 2023
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Dieser Bericht zeigt (abgesehen von unseren regulären Lesekreisen und dem 1. Mai) einige unserer Aktivitäten vom vergangenen Monat ─ Gedenkaktivitäten für den türkischen Kommunisten İbrahim Kaypakkaya und diverse Tags.
INFOVERANSTALTUNG AM 50. JAHRESTAG DER ERMORDUNG VON İBRAHIM KAYPAKKAYA
Am 18. Mai veranstalteten wir im KJV mit Unterstützer*innen ein Informationsevent zu İbrahim Kaypakkaya und seiner Ermordung sowie zur schweizer kommunistischen Märtyrerin Barbara Kistler, die im Volkskrieg in der Türkei kämpfen ging und dort vor 30 Jahren starb. Es wurde kollektiv gekocht, gegessen und revolutionäre Musik gehört. Zudem zeigten wir einen Teil der Dokureihe "How Yukong Moved The Mountains", der das Alltagsleben der revolutionären chinesischen Arbeiter*innen einer Generatorenfabrik im Jahr 1976 nach der Kulturrevolution und kurz vor dem kapitalistischen Putsch in China zeigt. Im Zentrum des Events stand eine Rede, die von einem Genossen an die Runde gehalten wurde und dessen Abschrift wir hier veröffentlichen:
Genossinnen und Genossen,
Genosse İbrahim Kaypakkaya war der erste, der den Marxismus-Leninismus-Maoismus konkret auf die Türkei anwendete. Sogar der türkische Geheimdienst erkannte explizit die theoretische und praktische Arbeit, die vom Genossen angeführt wurde, als "die Anwendung des revolutionären Kommunismus auf die Türkei" an. Deshalb war er für den Feind die grösste Bedrohung im Land. Der Genosse ist bis heute der wichtigste Märtyrer der kommunistischen Bewegung in der Türkei und einer der wichtigsten in der gesamten internationalen kommunistischen Bewegung. Er wurde im Januar 1973 im Guerrillakampf verwundet, gefangen genommen und monatelang gefoltert. Nachdem er den Reaktionären jedoch nichts verriet, richteten sie ihn am 18. Mai 1973 hin, zerschnitten seine Leiche und schickten seinem Vater seinen abgetrennten Kopf. Kaypakkaya war dort erst 23 Jahre alt. Die Jahrzehnte an Erfahrung, die seitdem im Volkskrieg in der Türkei gemacht worden sind, sowie die anhaltende Präsenz der kommunistischen Bewegung in der Türkei sowie in Rojava zeigen, dass der Versuch, mit Kaypakkayas Ermordung auch sein Denken und seinen Einfluss zu töten, kläglich gescheitert ist. Bis heute gibt es wenig Bilder, die dem türkischen Staat mehr Angst einjagen, als das Porträt unseres gefallenen Genossen. Wir gedenken heute keinem leeren Idol, sondern einem Vorbild, aus dem wir bis heute konkret lernen können und müssen.
In Andenken an den 50. Todestag von İbrahim Kaypakkaya möchten wir unsere Solidarität bekunden, indem wir an eine internationalistische Kämpferin aus der Schweiz erinnern. Barbara Anna Kistler ist eine kommunistische Märtyrerin, die 1993 im Volkskrieg gegen den türkischen Staat als Mitglied der TIKKO fiel (der Volksarmee der damals noch nicht gespaltenen Kommunistischen Partei der Türkei Marxist*innen-Leninist*innen). Genau wie Kaypakkaya ist sie ein grossartiges Beispiel dafür, was es heisst, sein gesamtes Leben der proletarischen Revolution zu widmen. Wie so viele in der Schweiz musste sie bereits als Jugendliche Lohnarbeiterin werden und wurde mit 16 Jahren schon politisch aktiv. Sie war bei verschiedensten antifaschistischen und antiimperialistischen Kämpfen wie Solidaritätsarbeit mit der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams zuvorderst mit dabei. In den 1970ern war sie Mitglied des "Komitees gegen Isolation", eines von der Roten Armee Fraktion inspirierten Zirkels. Sie war auch in der feministischen Bewegung aktiv und kämpfte darin für eine proletarische Klassenlinie, zum Beispiel in der MarLen, einer marxistisch-leninistischen Frauengruppe.
1980 kam Barbara Kistler zum ersten Mal mit Kommunist*innen aus der Türkei in Kontakt, die vom dortigen Militärputsch geflohen waren, und 1986 lernte sie Sympathisant*innen der TKP ML kennen. Sie beteiligte sich an Solidaritätsarbeit für gefangene Revolutionär*innen in türkischen Gefängnissen und war auch als Journalistin in Peru, während der dortige Volkskrieg noch im Gange war. Ende der 1980er zog sie nach Istanbul, um dort Arbeit für die TKP ML zu machen. Im Mai 1991 wurde sie vom türkischen Staat gefangen genommen und 15 Tage lang brutal gefoltert, doch sie tat es İbrahim Kaypakkaya gleich und gab keinerlei Informationen an den Feind. Im September 1991 konnte sie dank einer Solidaritätskampagne für ihre Freilassung zurück in die Schweiz.
Kurz darauf reiste sie wieder klandestin zurück in die Türkei, wurde TIKKO-Mitglied und organisierte innerhalb der Armee eine Einheit bestehend aus internationalistischen Kämpfer*innen wie ihr, die aus aller Welt zur Teilnahme am Volkskrieg angereist waren. Im Januar 1993 wurden zwei Winterlager der TIKKO Ziel einer Einkreisungskampagne des türkischen Militärs und Kistler musste sich mit ihren Genoss*innen kämpfend durch das Gebirge zurückziehen. Im Verlauf dieses Rückzugs zog sie sich im harschen Winterklima eine Lungenentzündung zu und erlag nach zwei Wochen einer Blutvergiftung. In diesem Januar war der 30. Jahrestag ihres Todes.
Mao Zedong sagte in seinem Text im Andenken an den kanadischen Kommunisten Norman Bethune, der im chinesischen Volkskrieg starb:
Barbara Kistler verkörperte diese Gesinnung genauso wie Norman Bethune fünf Jahrzehnte vor ihr. Sie erinnert uns daran, dass, wie Mao auch sagte, "die Weltrevolution nur dann siegen kann, wenn das Proletariat der kapitalistischen Länder den Befreiungskampf der Völker der kolonialen und halbkolonialen Länder und das Proletariat der Kolonien und Halbkolonien den Befreiungskampf des Proletariats der kapitalistischen Länder unterstützt." Wir, der Kommunistische Jugendverband der Schweiz, verpflichten uns komplett dieser internationalistischen Linie. Unsere Unterstützung gilt der TKP-ML sowie der Maoistischen Kommunistischen Partei. Wir stehen voll und ganz hinter dem heutigen Kampf der Kommunist*innen in der Türkei, ob als Teil des HBDH-Bündnisses oder nicht.
Das türkische Volk steht vor einer Wahl. Doch damit meinen wir nicht die Wahl an der Urne zwischen zwei verschiedenen Faschisten, zwischen zwei verschiedenen Fraktionen der Grossgrundbesitzer und Grosskapitalisten, die nur dem Imperialismus und ihren eigenen prall gefüllten Bankkonten dienen. Wir meinen die wirklich entscheidende Wahl, den Widerspruch, der sich Jahr für Jahr weiter verschärft: Die Abwärtsspirale der Ausbeutung von Mensch und Natur weiter ertragen, oder sich im Kampf dagegen vereinen und für Revolution kämpfen? İbrahim und Barbara haben sich entschieden, wir folgen ihrem Beispiel, und wenn wir unsere Arbeit richtig machen, werden auch die Arbeiter*innen und Unterdrückten in der Türkei, in der Schweiz und im Rest der Welt sich schlussendlich für Revolution entscheiden.
Genossinnen und Genossen, wir Arbeiter*innen haben kein Vaterland und unsere Solidarität macht vor keinen Grenzen halt. Für diese Haltung werden die Kapitalisten und ihre Unterstützer uns bis zum Schluss als "Terroristen" oder "Landesverräter" verleumden und bekämpfen. Doch wenn der Feind uns bekämpft, dann ist das gut und nicht schlecht, es bekräftigt nur, wie richtig und wie wichtig internationale Solidarität ist und schon immer war. Um Barbara Kistler zu paraphrasieren:
HINTER DEM FASCHISMUS STEHT DAS KAPITAL! DER KAMPF UM BEFREIUNG IST INTERNATIONAL!
TEILNAHME AM GEDENKEVENT ZUM 50. JAHRESTAG DER ERMORDUNG VON İBRAHIM KAYPAKKAYA
Am 20. Mai reisten wir mit Genoss*innen diverser Organisationen nach Ludwigshafen ans dortige Gedenkevent zum 50. Jahrestag der Ermordung von İbrahim Kaypakkaya vom türkischen Staat (der am 18. Mai gewesen war). Das riesige Event in einer grossen Halle wurde von Partizan und Klassentheorie organisiert und zog über Tausend Genoss*innen aus ganz Europa an. Auch diverse revolutionäre, fortschrittliche und demokratische Organisationen, die die Revolution in der Türkei und in Kurdistan unterstützen, waren anwesend ─ darunter ATIK, YDG, ADHF, SYM und Young Struggle. Es wurden viele Reden auf türkisch gehalten und mit beeindruckender Bühnenshow inkl. kommunistischen Videos untermalt, z.B. in Unterstützung der Kommunistischen Partei der Türkei ─ Marxist*innen-Leninist*innen (TKP-ML). Auch Auftritte diverser Musiker*innen und Bands wie Grup Munzur oder Umuda Haykırış (übersetzt "Aufschrei nach Hoffnung") durften nicht fehlen.
Wir kamen mit einem Banner in Andenken an İbrahim Kaypakkaya und an Barbara Kistler und machten gemeinsam mit Genoss*innen vor Ort ein Solifoto (danke an alle, die das ermöglicht haben!):
Einige Eindrücke vom Event:
Die Fotos sind teilweise unsere eigenen, teilweise sind sie der Online-Zeitung "Freie Zukunft" entnommen.
Vielen Dank an das Organisationskomitee für die unglaubliche Arbeit, die in das ganze Event gesteckt wurde. Wir denken, alles in allem war es ein grosser politischer und moralischer Erfolg für alle Beteiligten und für die Revolution in der Türkei und in Kurdistan.
AKTION GEGEN DIE FASCHISTISCHE POLIZEIGEWALT AM 8. MÄRZ UND 1. MAI IN DER SCHWEIZ
Nachdem wir in unserem Bericht zum 1. Mai in der Schweiz das brutalst repressive Verhalten der Cops in Basel und Zürich in den letzten Monaten verurteilt hatten, sahen wir es als nötig, dies mit Can auf die Strasse zu tragen.
Kurzer Recap: Seit Anfang Jahr nutzt die Polizei jede Gelegenheit aus, um den Knüppel auszupacken und die revolutionäre Bewegung an Demos zu attackieren. Sie warten darauf, dass die bürgerliche Presse sie als arme Opfer "linksextremer Gewalt" darstellt (etwa nach den Demos am 11.02. in Basel und am 01.04. in Zürich), nur um dann mit aller Härte zuzuschlagen. Am 8. März wurde in Basel die Demonstration anlässlich des internationalen femistischen Kampftages neben der Uni eingekesselt, Journalist*innen wurden vom Kessel weggedrängt und es wurde aus wenigen Metern Nähe ein Warnschuss auf den Kopf eine*r Journalist*in abgefeuert. Zudem probte sich das patriarchale Bullenpack in Nahkampf (was in dieser Form in Basel ein neues Level an Eskalation ist); Riot-Cops stürmten innerhalb des Kessels das Frontbanner und prügelten dort auf Demonstrant*innen ein, "zufällig" genau dann, als sie die Parole "Siamo Tutti Anti-Sexisti!"" riefen.
Am 1. Mai eskalierten die Bullen sowohl in Basel als auch in Zürich. In Basel stellten sie der Demo gerade mal fünf Minuten nach Beginn eine Falle und kesselten den revolutionären Block ein, der die Demo angeführt hatte. In den Stunden danach verpasste unter anderem ein Cop eine*r Demonstrant*in eine Schnittwunde und diese*r musste ins Spital gebracht werden, angeblich "im Handgemenge um ein Banner". In Zürich errichteten die Cops in der Nähe der angemeldeten Morgendemo einen Checkpoint, pickten selektiv Leute zur Kontrolle raus, die sich von der Demo wegbewegten, und verhafteten einige sogar aufgrund von "Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot", "ungültigen Papieren" und anderen schwachsinnigen Begründungen. Dazu kesselten die Cops die revolutionäre Demonstration um 15:00 ein, ohne sie loslaufen zu lassen. In der darauffolgenden Auseinandersetzung zwischen Demo und Polizei setzten die Cops Wasserwerfer und Gummischrot ein ─ und schossen mit letzterem u.a. einem jungen Genossen ein Auge raus. Seit den Angriffen auf die "Basel Nazifrei"-Massendemonstration am 24.11.2018, bei der die Basler Polizei vor den Augen aller die Neonazi-Partei "Partei National Orientierter Schweizer (PNOS)" mit vollem Einsatz verteidigte, ist so ein Angriff auf der Strasse nicht mehr passiert. Das sind nicht bloss Patronen aus Gummi, was man anhand vom Namen "Gummischrot" denken könnte, das sind Bleipatronen mit Gummiüberzug. Das ist kein "Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizisten und Linksextremen", sondern Klassenjustiz wie sie leibt und lebt. Deshalb:
OB 8. MÄRZ ODER 1. MAI: SCHLUSS MIT DER POLIZEIGEWALT! AUGE UM AUGE! UNTERSTÜTZT DIE REVOLUTIONÄRE BEWEGUNG!