KOMITEE FÜR WAHLBOYKOTT: wieso wahlboykott?
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Wir teilen hier das Selbstverständnis vom Komitee für Wahlboykott.
WIESO WAHLBOYKOTT?
Das Komitee für Wahlboykott wurde von Leuten gegründet, die von diesem korrupten politischen Establishment die Nase voll haben.
Wir sind ein Bündnis, das aus verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen besteht, die erkannt haben, dass die Interessen der arbeitenden Bevölkerung in diesem politischen System kein Gehör finden und von diesem Staat und den Milliardären, denen er dient, niemals vertreten werden können. Egal, welche Parteien der Reichen zusammen regieren und wie viele Sitze sie in der Regierung oder im Parlament haben, am Ende des Tages gewinnt die Börse und die Arbeiter und einfachen Leute verlieren. Denn auch wenn sie ihre Versprechen an uns am Tag ihrer Wahl «vergessen», vergessen sie nicht die Versprechen, die sie den Lobbygruppen, von denen sie finanziert werden, oder den Verwaltungsräten, in denen sie sitzen, gemacht haben.
Wir sind Arbeiter, Angestellte, Lernende, Arbeitslose, Schüler, Studenten, Intellektuelle und Selbstständige; wir sind die Leute, die dieses Land aufgebaut haben, die es ernähren, am Laufen halten und lebenswert machen; wir sind deine Nachbarn, deine Mitarbeiter, deine Mitschüler und Mitstifte; wir sind Schweizer Bürger und Nicht-Bürger; wir sind Erwachsene und Jugendliche — und wir haben es alle ausnahmslos satt:
- dass wir, die ärmeren 98% der Bevölkerung, nicht einmal die Hälfte des Reichtums dieses Landes besitzen, während die reichsten 1,63% satte 50,36% des gesamten Nationalvermögens besitzen, ohne jemals in ihrem Leben auch nur einen Tag hart gearbeitet zu haben;
- kaum oder gar nicht Geld ansparen zu können, während die grossen Unternehmen Rekordgewinne einfahren;
- weltweit rekordverdächtig hohe Mieten zu zahlen, während unsere Vermieter und Verwaltungen so tun, als könnten sie es sich nicht leisten, den Schimmel in unseren Wänden zu entfernen oder unsere kaputten Rohre zu reparieren;
- dass immer mehr Eltern Mahlzeiten überspringen müssen, damit ihre Kinder zu Mittag essen können, und dass unser hart verdientes Steuergeld für Aufrüstung und NATO-Kooperation ausgegeben wird, anstatt in den Sozialstaat zu fliessen;
- dass unsere Vorgesetzten uns für jeden noch so kleinen Fehler, den wir bei der Arbeit gemacht haben, anschreien oder uns sexuell belästigen können und damit durchkommen, während wir Verwarnungen und Entlassungen fürchten müssen, wenn wir auch nur widersprechen oder uns mit unseren Kollegen zusammentun, um etwas dagegen zu unternehmen;
- dass wir wie faule Kriminelle behandelt werden, wenn wir unseren Job oder unsere Fähigkeit zu arbeiten verlieren, während Börsenspekulanten, die nur auf ihren tropischen Sextourismusreisen je geschwitzt haben, Millionen kassieren, wenn sie gut zocken, und Milliarden bekommen, wenn sie schlecht zocken;
- dass wir auf Schritt und Tritt von Überwachungskameras gefilmt werden, dass Geheimdienste wie die NSA und Datenhändler in der Lage sind, jeden Schritt, den wir machen, und jedes Gespräch, das wir führen, über unsere Handys zu verfolgen, und dass sie diese Informationen nutzen, um uns entweder auf Beobachtungslisten zu setzen oder uns noch mehr nutzlosen Müll zu verkaufen, während die wahren Verbrecher in Hinterzimmern sitzen und bei Whiskey, Kokain und Zigarren das Schicksal von Milliarden von Menschen diskutieren;
- dass einige der am härtesten arbeitenden Menschen in unserer Gesellschaft, die der Armut ihrer Herkunftsländer entkommen sind, die dirch die Wirtschaftspolitik von in der Schweiz ansässigen multinationalen Unternehmen verursacht wurde, als «Wirtschaftsflüchtlinge» gebrandmarkt und als Schmarotzer behandelt werden, obwohl die wirklichen Wirtschaftsflüchtlinge nicht vor Armut, sondern vor Steuern fliehen und das Geld, das sie uns geraubt haben und weiter rauben, in Zug lagern;
- dass unsere AHV und IV gekürzt werden, damit die Credit Suisse gerettet werden kann und ihre Investoren ein Mehrfaches unseres Lebenslohns in ihre Dritte Säule einzahlen können;
- dass wir wegen unserer Hautfarbe belästigt oder verhaftet werden oder vom Migrationsamt schikaniert werden, weil wir keinen Schweizer Pass haben, während sogenannte «Antirassisten» mit der Partei, die den antimigrantischen Populismus in Europa erfunden hat, in einer Regierung sitzen;
- dass wir wegen «Renovierungsarbeiten», die die Miete verdoppeln, aus unseren Wohnungen geworfen und von Immobilienhaien aus unseren Quartieren vertrieben werden, nur damit die High Society einziehen, Stadtmensch spielen und überteuerte Hipster Cafés und Bäckereien besuchen kann, für die unsere Kioske, Beizen und Dönerläden Platz machen mussten;
- dass Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer, dass sie gezwungen werden, schlechter bezahlte Jobs zu machen, dass sie objektifizert werden, dass sie zu Hause den Haushalt führen und/oder unverschämt hohe Gebühren für private Kinderbetreuungseinrichtungen zahlen müssen und dass sie entweder von ihren Ehemännern als Untergebene, vom Staat als Untergebene ihres Mannes oder als beides behandelt werden, während die Regierung und die Mainstream-Medien so tun, als ob ein paar Frauen mehr in hohen Positionen die einzige Gleichstellung wären, die wir brauchen;
- dass offene Stellen für arbeitende und arme queere Menschen plötzlich verschwinden, sobald sie zum Vorstellungsgespräch erscheinen; dass sie mit erfundenen Gründen entlassen werden, um «Antidiskriminierungs»gesetze zu umgehen; dass ihnen Wohnungen verweigert werden, entweder ohne Grund oder aus explizit queerfeindlichen Gründen; dass die Kirchen und ihre politischen Flügel der Gesellschaft erzählen, dass queere Menschen Kinder groomen, während sie selbst Kinder schänden; dass Leute angegriffen oder vergewaltigt werden, weil sie queer sind, und dann von der Polizei nicht ernst genommen werden oder Polizisten selbst die Täter sind — während reiche Schwule ihren Doppelverdiener-Traum als Kernfamilie ausleben können, mit privat adoptierten Kindern aus der 3. Welt, schicken Urlauben nach Tel Aviv, entpolitisierten Pride-Paraden und ohne einen einzigen Gedanken an die Notlage der queeren Community;
- dass die Welt um uns herum brennt und überschwemmt wird, während die Reichen in Privatjets herumfliegen und uns vorgaukeln, wir seien schuld, weil wir es uns nicht leisten können, Bio zu kaufen oder auf Autos angewiesen sind, weil der Bus dort, wo wir wohnen, kaum kommt;
- dass diese kranke Gesellschaft uns ansteckt und Burnout, Depressionen und Angstzustände zu Volkskrankheiten macht, und dass, während die Reichen ihre Midlife-Krisen in Luxus-Spas mit ein paar Stunden Vorankündigung behandeln können, wir monatelang auf den Ersttermin beim Therapeuten warten müssen;
- dass wir Nebenjobs jobben oder unsere Eltern den Gürtel enger schnallen müssen, damit wir studieren können, während Rich Kids von ihren Eltern dafür bezahlt werden, dass sie verkatert in HSG-Nachmittagsvorlesungen auftauchen;
- dass täglich Familienhöfe dichtmachen, damit Grossbauern und Investoren ihr Land aufkaufen und sie dann davon überzeugen können, dass die Migranten daran schuld sind;
- dass Underground-Musiker ihr ganzes Geld und ihre Zeit in das Produzieren von Musik stecken, die auf unsere Probleme eingeht, während grosse Labels und staatliche Programme Geld in Musik investieren, die entweder Konsumkultur, Sexismus und Drogenmissbrauch verherrlicht, oder in langweilige, nichtssagende Melodien, die davon täubeln, dass alles gut ist, so wie es ist, oder jammern, ohne Lösungen anzubieten;
- dass Leute zu Geldstrafen verurteilt oder ins Gefängnis gesteckt werden, weil sie sich auf öffentlichen Wänden oder in Zügen — den einzigen Leinwänden, die sich das Volk leisten kann — künstlerisch ausgedrückt haben, während die Bougies in ihren «Kunst»-Galerien Prosecco trinken, und ihr Geld waschen, indem sie bunte Kotze auf einer Leinwand für mehr Geld verkaufen, als wir je in unserem Leben sehen werden;
- dass unsere Krankenversicherungsprämien jedes Jahr steigen, um die Kassen nicht der Gesundheitsversorger, sondern der Krankheitsprofiteure zu füllen, die eine staatlich sanktionierte Schutzgelderpressung mit unserer Gesundheit betreiben, und dass wir wegen unseres Selbstbehalts zwischen Miete und Arztbesuch wählen müssen.
All diese nicht enden wollende Ausbeutung, Unterdrückung, Misshandlung und Missbrauch ist der immer gleiche Teufelskreis, den wir jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr, unser ganzes Leben lang durchleben. Und wir haben die Schnauze voll davon. Diese täglichen Struggles häufen sich, bis wir an unsere Grenzen stossen, doch scheint es oft so, als könnten wir nichts dagegen tun, ausser nachts in unsere Kissen zu schreien.
Und dann kommen die Politiker.
Mit ihren falschen Versprechen.
Ihren leeren Floskeln.
Ihren toten Augen auf den immer lächelnden Wahlplakaten.
Lauter Namen und Gesichter und Parteilogos, die für uns keinerlei Bedeutung haben.
Was sie heute glauben, geben sie morgen auf; was sie in diesem Jahr sagen, nehmen sie im nächsten wieder zurück; was sie in dieser Wahl versprechen, halten sie nicht ein und wiederholen das Ganze dann vier Jahre später; und all das, immer und immer wieder, ergibt einen Berg von Verlogenheit, der zu den ohnehin schon kilometertiefen Schichten von ohrenbetäubender Ausbeutung und Unterdrückung hinzukommt.
Das politische System ist selber auch ein Teufelskreis, eine Widerspiegelung des Teufelskreises unseres täglichen Lebens als Proleten, als arbeitende Menschen, als normale, machtlose, bevormundete Menschen in dieser Gesellschaft, einer Gesellschaft, die von uns, aber nicht für uns aufgebaut wurde, die von Politikern regiert wird, die behaupten, Politik für uns zu machen, die sich aber in Wirklichkeit einen Dreck um uns scheren.
Wir haben die Nase voll von diesem korrupten Establishment, von seiner pseudodemokratischen Maske und von der hässlichen Fratze des Kapitalismus, die sich darunter verbirgt und die von all den Lügen unserer Machthaber verdeckt und, wenn es dazu kommt, von ihren Schlagstöcken, Giftgas, Bleikugeln mit Gummiüberzug, Gewehren und Panzern geschützt wird.
Egal, welche Bugfixes sie einbauen, es handelt sich hier um ein Pay-to-Win-Spiel, und wir haben schon bei unserer Geburt verloren, weil wir aus der Arbeiterklasse stammen, arm sind, Migranten sind, Frauen sind, queer sind, eine Behinderung haben und wer weiss was sonst noch. Was uns eint, ist, dass wir kein Kapital haben, weder wirtschaftliches noch politisches, und deshalb repräsentiert uns dieses System nicht und wird es auch niemals tun.
Wir sind in unseren nicht enden wollenden Alltagsproblemen und in einem politischen Karussell, von dem uns speiübel wird, gefangen. Das Klingeln von Weckern; das Scheppern, Surren und Zischen von Maschinen; das rhythmische Tippen von Fingern auf Tastaturen; schrille Polizeisirenen; abstrakte und langweilige Vorträge; das laute Summen der Kaffeemaschine; das Aufreissen von Rechnungskuverts; die belehrende Stimme eines lügenden Nachrichtensprechers; die sich endlos wiederholenden 15-Sekunden-Clips beliebter Lieder auf TikTok und Instagram; das Klicken des Feuerzeugs in der Raucherpause; das Zischen einer lauwarmen Bierdose am Ende eines harten Arbeitstages; und das endlose und inhaltslose Wahlkampfgeschwätz der Politiker im Fernsehen, in den sozialen Medien, auf dem Weg zur Arbeit und an der Strassenecke — all diese Geräusche verschmelzen zu einer ohrenbetäubenden Lärmkulisse, bei der wir kaum noch klar denken können. Wir werden individualisiert, uns wird gesagt und oft sogar durch unsere objektiven Bedingungen aufgezwungen, nur an uns selbst zu denken. Wir können vor lauter Teufelskreis nicht über unseren eigenen Tellerrand hinausblicken, auch wenn es unseren Nachbarn, Mitarbeitern, Kollegen oder Mitschülern genauso schlecht geht. Für die meisten von uns ist es unvorstellbar, diese Ketten und diesen Teufelskreis allein zu durchbrechen, geschweige denn herauszufinden, wie.
Deshalb haben wir beschlossen, ihn gemeinsam zu durchbrechen.
Alleine sind wir schwach. Wenn wir nur darum kämpfen, den Tag, den Monat oder die Woche zu überstehen, werden wir zwar überleben, aber es wird sich weder jemals etwas grundlegend ändern, noch werden wir jemals frei sein. Das ist der Kernpunkt unseres Komitees.
Auf der Grundlage dieser gemeinsamen materiellen Interessen vereinigen wir uns um die folgenden Einheitspunkte:
- Gegen den Kapitalismus: Wir sind gegen dieses Wirtschaftssystem, in dem eine kleine Minderheit alle Produktions- und Tauschmittel besitzt und kontrolliert, während wir, die arbeitende Mehrheit, nur unsere Hände, Füsse und unseren Kopf besitzen, die wir in den Dienst der Kapitalisten stellen, oder besser gesagt, an diese verkaufen müssen, um zu überleben.
- Gegen den Parlamentarismus: Dieselben Kreise, die das ganze Wirtschaftskapital besitzen, verfügen auch über sämtliches politisches Kapital, das heisst, sie kontrollieren den Staat. Der Staatsapparat, egal ob Parlament, Justiz oder Regierung, dienen und gehören den Grosskapitalisten, der Finanzoligarchie. Alle vier Jahre stellen sie die arbeitenden Menschen (oder die 75 % von ihnen, die überhaupt wählen dürfen) vor die «demokratische» Wahl zwischen Pest und Cholera. Dieses System kann nicht von innen heraus verändert werden, und wer es versucht, wird vom System verändert und nicht umgekehrt (das heisst, gekauft durch hohe Gehälter, Lobbyinteressen und Abschattung von normalen Menschen).
- Für eine Räterevolution: Egal, wie viele Loblieder die Kapitalisten auf unsere «politische Demokratie» singen, ohne wirtschaftliche Demokratie bleiben das alles nur leere Worte. Die ökonomische Diktatur, unter der wir leben, hat unsere politische Demokratie zur Farce werden lassen. Wir wollen die Wirtschaft und damit die politische Macht aus der Hand der Kapitalisten reissen und sie in die Hände demokratischer Räte legen, die sich aus Vertretern der arbeitenden Bevölkerung zusammensetzen und in den Betrieben, Quartieren, Dörfern, Militäreinheiten, Schulen und Institutionen konzentriert sind. Diese Räte werden nicht reden, sondern handeln, und die Vertreter der Arbeitenden können, wenn sie ihre Versprechen brechen, von diesen auch abgewählt werden. Aber diese echte Demokratie kann nicht durch Reformen geschaffen werden. Sie kann nur als Ergebnis einer Revolution geboren werden.
Diese Sichtweise ist nicht nur die Meinung einer frustrierten Minderheit, sondern sie entspricht den Interessen von fast 3/4 der gesamten Schweizer Bevölkerung, die nicht wählen oder nicht wählen dürfen.
Sie bildet die Einheitsgrundlage für alle Organisationen, Gruppen und Personen, die unsere Initiative bilden oder unterstützen. Zu uns gehören echte Demokraten, Progressive, Anarchisten, Kommunisten und Sozialisten. Jeder, der diesen 3 Punkten zustimmen kann, kann an unserem Komitee teilnehmen oder es unterstützen, ungeachtet aller anderen Differenzen, die wir haben mögen. Darüber hinaus ermutigen wir jeden, mit uns in Kontakt zu treten, sich mit den teilnehmenden Gruppen in Verbindung zu setzen und das von uns bereitgestellte Material für eigene Aktionen zu nutzen.
Die Gründung des Komitees für Wahlboykott geht auf die Initiative des Kommunistischen Jugendverbandes der Schweiz zurück und wurde seither von mehreren Organisationen und Personen befürwortet. Die volle Liste unserer Unterstützer findest du hier.
Warum gehen wir nicht wählen? Warum versuchen wir nicht, diese beschissenen Zustände von innen heraus zu ändern? Kurz gesagt, weil wir das nicht können und auch nicht wollen. Wir widersetzen uns diesem Parlament von aussen, nicht von innen.
WARUM BOYKOTT?
Es gibt viele gute Gründe, sich an der Boykottkampagne zu beteiligen. Hier sind nur ein paar der besten.
DIE SP, FDP, SVP UND MITTE SITZEN SEIT 79 JAHREN IN DER GLEICHEN EINHEITSREGIERUNG
Seit 1944 hat die Schweiz mit nur wenigen kurzen Unterbrechungen dieselbe Regierung, bestehend aus denselben Parteien (oder Parteien, die sich zu den heutigen Parteien zusammengeschlossen haben): die SP, die FDP, die SVP und die Mitte. Der Bundesrat ist eine Einheitsregierung der Grossparteien im Dienste des Grosskapitals und der Verwaltungsrat von diesem Staat.
In Wahlzeiten und im Parlament streiten sich die verschiedenen politischen Parteien, aber in der Regierung sitzen die Vertreter der vier grössten Parteien an einem Tisch. Auch hier sind sie sich zwar hinter verschlossenen Türen oft uneinig, aber in der Öffentlichkeit vertreten sie eine geschlossene, kapitalistische Linie, wie sie herrschen wollen. So kommt es, dass Bundesräte der SVP für eine engere Zusammenarbeit mit der EU oder der NATO sind und Bundesräte der SP für die Rettung der Credit Suisse und den Sozialabbau.
Die herrschenden Parteien sind allesamt die Parteien der Herrschenden. Sie fördern, unterstützen und vertreten die Interessen der Kapitalisten. Die allgemeinen Interessen ihrer Klasse sind ihnen mehr wert als die Sonderinteressen ihrer verschiedenen Parteien. Selbst wenn sie sich gegenseitig bekämpfen, bilden sie am Ende des Tages immer eine Einheitsfront gegen die Arbeiter und die schaffende Bevölkerung.
Wir haben es satt, dass sich in diesem Land nichts ändert. Aber wir wissen auch, dass eine einfache Änderung der Regierungsbildung ─ zum Beispiel durch ein Koalitionssystem wie in anderen europäischen Ländern oder ein Präsidialsystem wie in den USA ─ keine Verbesserungen für das Volk bringen würde. Das gesamte System muss grundlegend geändert werden. Dieser kapitalistische Staat mit seinem Parlament, seiner Regierung, seinem Militär, seiner Polizei, seinen Gerichten und seiner Bürokratie muss weg, und mit einem neuen, gerechteren System ersetzt werden.
EIN PARLAMENT VON UND FÜR CEO'S, GEWERKSCHAFTSBONZEN, GROSSBAUERN UND LOBBYISTEN
Die Bundesversammlung, und zwar sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat, setzt sich aus Angehörigen oder Vertetern der herrschenden Klasse und ihrer Verbündeten zusammen. CEOs, Gewerkschaftsbürokraten, Grossbauern, Lobbyisten, Banker, Berufspolitiker und so weiter füllen das Parlament, während wir, die grosse Mehrheit der Bevölkerung, buchstäblich überhaupt nicht vertreten sind.
In der Schweiz gibt es zwischen Politik und der Mitgliedschaft in einem oder mehreren Verwaltungsräten oder der bezahlten Tätigkeit als Vorsitzender von Lobbygruppen keinen «Interessenkonflikt». Aufgrund des «Milizprinzips» dürfen alle Mitglieder der Bundesversammlung zwischen den Parlamentssitzungen «normalen» Jobs nachgehen ─ das heisst, wenn man es als normal ansieht, ein Grossunternehmen zu besitzen, Sans-papiers für Dumpinglöhne auf seinem Land arbeiten zu lassen, ausschliesslich vom Aktienhandel zu leben und so weiter. Auch «einfache» Berufspolitiker können mit den 152'054 Franken, die Parlamentarier in diesem Land im Durchschnitt erhalten, weit entfernt von der Realität der einfachen Menschen leben, und das nur, weil sie von einer winzigen Minderheit der Gesamtbevölkerung gewählt werden.
Im Parlament sitzen natürlich keine echten Arbeiter, denn kein normaler Arbeiter kann sich einfach viermal im Jahr zwei Wochen freinehmen, um sich im Bundeshaus auszutoben und in teuren Unterkünften zu vergnügen. So etwas würde nur funktionieren, wenn er die Interessen seiner Chefs vertreten und seine Mitarbeiter verraten würde ─ denn stell dir mal vor, wie schnell du auf der Strasse stehen würdest, wenn du dich im National- oder Ständerat für ordentliche Mindestlöhne und andere überlebenswichtige Massnahmen auf Kosten der Reichsten einsetzen würdest. Zudem würde jeder Arbeiter, der in seinem gewählten Amt bleibt, von den hohen Gehältern der Politiker profitieren und von allen möglichen Lobbyisten und deren Bestechungsgeldern umschwärmt werden. Ein Arbeiter, der heute im Parlament sitzt, wird morgen zum Kapitalisten im Parlament.
Aber halt, haben wir Arbeiter nicht Gewerkschaftssekretäre, die uns im Parlament unterstützen und vertreten können? Das Problem ist, dass diese sogennnten «Arbeitervertreter» dazu bereit sind, jeden noch so miesen Vertrag mit den kapitalistischen Verbänden einer Branche zu unterschreiben, auch wenn dieser uns im Namen des «Arbeitsfriedens» verbietet zu streiken, denn so machen sie ihr Geld (wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, nebenbei Wohnungen über dem Marktwert zu vermieten, wie es die UNIA via der Zivag AG tut). Zudem ist ihr Gehalt höher als das einiger unserer Chefs (rund 11'000 Franken im Monat) und sie beuten ihre Büroangestellten genauso aus wie jeder andere Kapitalist auch. Wie sollen wir solchen Leuten vertrauen, dass sie unsere Klasseninteressen vertreten, wenn sie objektiv nicht einmal zu derselben Klasse wie wir gehören? Sozialistische und kommunistische Gewerkschaftsaktivisten nannten solche Leute früher «Arbeiteraristokraten», und das trifft es auch heute noch.
Korruption ist in der Schweiz zudem unter dem Namen «Lobbyismus» völlig legal. Lobbyisten gehen im Parlament ein und aus (wenn sie nicht sogar selbst Parlamentarier sind) und Lobbyverbände bestechen Politiker mit Geschenken, Geld und Einladungen, damit sie zu ihren Gunsten stimmen. Wie der russische Revolutionär Lenin einmal sagte:
POLITIK FÜR CREDIT SUISSE-AKTIONÄRE UND NICHT FÜR DIE MASSEN
Regierung und Parlament unternehmen aufgrund ihrer Klasseninteressen nicht die geringsten Anstrengungen, um die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern. Im Gegenteil, sie verschlechtern sie aktiv. Hier ein paar Beispiele:
- Die Regierung rettete die Credit Suisse und erzwang deren Fusion mit der UBS, wodurch eine neue Riesenbank entstand. Obwohl das Parlament sich darüber aufregte, änderte es das Gesetz nicht, um die Regierung zu entlassen und die Situation zu ändern.
- Unmittelbar nach der Rettungsaktion strich das vom Sozialdemokraten Alain Berset geleitete Gesundheitsdepartement Gelder für lebensrettende oder notwendige medizinische Geräte und Behandlungen für behinderte Kinder.
- Die Gehälter der Bundesräte wurden dieses Jahr um 11'000 Franken erhöht, sodass sie jetzt 468'275 Franken im Jahr erhalten (ohne die 30'000 Franken Spesenpauschale und viele andere Vergünstigungen miteinzuberechnen), und sind in den letzten 20 Jahren um 15,68% gestiegen, während dieselben Bundesräte uns sagen, dass wir den Gürtel enger schnallen sollen.
- Der Bund setzt seine Vorschriften über die Prämienverbilligungen nicht bei den Kantonen durch, die ihr Prämienverbilligungsvolumen seit Jahren gleich belassen oder es in 17 Kantonen sogar gesenkt haben. Die Last tragen am Ende wieder wir und nicht der Staat und die Wucherer im Gesundheitswesen.
- Das Parlament hat durch die Erhöhung der Hypothekarzinssätze die Mieten mehrfach in die Höhe getrieben.
- Die Regierung betreibt eine konsequente Politik der schrittweisen Inflation des Frankens und senkt damit die Kaufkraft der Bevölkerung Stück für Stück.
- Als im November 2021 die Pflegeinitiative angenommen wurde, die bessere Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal und eine verstärkte Ausbildung neuer Pflegekräfte forderte, reagierte der Bundesrat im Januar 2022, indem er die Forderungen in zwei Teile aufspaltete und nur etwas Geld für die Ausbildung neuer Pflegekräfte investierte, während er die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft verschob.
- Die Regierung hat sich dazu entschieden, anstelle der Produktion erwiesenermassen sicherer regulärer Impfstoffe gegen Covid-19 (wie das in einigen Ländern getan wurde) lieber mit den Pharma-Monopolen zusammenzuarbeiten, um deren experimentellen mRNA-Impfstoffe an Millionen von Menschen zu testen, die einfach nur vor Corona geschützt werden wollten, und die Gesellschaft in diesem Punkt zu polarisieren ─ und das alles von ihren Villen aus, wo sie über Solidarität und systemrelevante Arbeiter redeten, sich aber weigerten, deren Arbeitsbedingungen oder Löhne zu verbessern.
- Im letzten Winter, als es so aussah, als würde Europa die Energie ausgehen, hat der Bundesrat in aller Stille grossen Unternehmen, die Jahre zuvor auf den privaten Energiemarkt umgestiegen waren, wieder Zugang zu staatlicher Energie gewährt und damit das Leben und die Bankkonten tausender arbeitender Menschen akut gefährdet, da die Preise deswegen nur nicht in die Höhe geschossen sind, weil der Winter relativ mild verlief.
- Die Regierung kündigte Pläne an, die Länder der Dritten Welt dafür zu bezahlen, dass sie ihre Kohlenstoffemissionen im Namen der Schweiz reduzieren. Damit wird die von entwickelten kapitalistischen Ländern wie der Schweiz verursachte Klimakrise buchstäblich auf die Schultern der unterentwickelten Länder geladen, die die Hauptopfer des Klimawandels sind. Das ist kein Zufall, denn im Bundesrat sitzt mit Albert Rösti ein berüchtigter Lobbyist der Erdölindustrie, der zurzeit das Amt des Umweltministers bekleidet. Währenddessen wird auch in der Schweiz selbst nichts unternommen, um den arbeitenden Menschen zu helfen, die wegen fehlender Klimaanlagen Hitzeschläge erleiden und in der Sommerhitze in langen Schichten auf dem Bau arbeiten müssen, oder die wegen vermeidbarer Schlammlawinen ihre Häuser verlieren oder von der Aussenwelt abgeschnitten werden, alles Leiden, damit die Kapitalisten auf Kosten der Menschheit und der Natur, von der wir abhängen, weiter Profite machen können.
- Das Parlament und die Regierung haben Sanktionen gegen Russland verhängt, die vor allem die Hunderten von Millionen Arbeiter und einfachen Leute verschiedenster Nationalitäten innerhalb Russlands treffen, von denen die meisten nichts mit dem Angriffskrieg des Kremls gegen die Ukraine zu tun haben. Währenddessen konnten und können die russischen Oligarchen, die tatsächlich für diesen imperialistischen Krieg verantwortlich sind, ihr Öl und Gold in Genf verkaufen, um die Todeskommandos zu finanzieren, die in Orten wie Bucha Gräueltaten begehen.
Wir könnten noch mehr Beispiele nennen, aber wir denken, dass diese Beispiele aus den letzten Jahren ausreichen, um unseren Standpunkt zu belegen: Das gesamte Regierungssystem, inklusive des Parlaments, dient nur dem Kapital, nicht uns.
25% DER BEVÖLKERUNG SIND MENSCHEN ZWEITER KLASSE
25% der Schweizer Bevölkerung besteht aus Migranten ohne Schweizer Pass, die oft schon seit Jahren oder gar Generationen hier leben und systematisch von der Teilnahme an der Landespolitik abgehalten und ausgeschlossen werden. Das ist gleich schlimm wie die Wahlrechtslosigkeit von Frauen vor 1971 und dient demselben Zweck: die am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Menschen davon abzuhalten, sich mit Politik zu befassen und zu lernen, wie wichtig der Kampf für ihre Klasseninteressen ist.
Dabei hängt ein regelrechtes Damoklesschwert über ihren Köpfen: Falls sie sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung ausserhalb des Systems wehren, was ja ihre einzige Option ist, riskieren sie, abgeschoben zu werden, inklusive in Kriegsgebiete.
Neben Migranten sind auch viele arbeitende Jugendliche (sowohl «ungelernte» Arbeiter als auch Lernende) wahlrechtslos. Sie haben kein Recht, am politischen Prozess teilzunehmen, obwohl von ihnen schon in einem früheren Alter erwartet wird, weitaus wichtigere Entscheidungen treffen, wie zum Beispiel die Berufswahl.
Wir fordern die vollständige Wahlberechtigung und Einbürgerung aller in der Schweiz ansässigen Personen über 15 Jahren, unabhängig von ihrer Nationalität oder anderen Faktoren. Und sollte dieses Ziel erreicht werden, ermutigen wir alle, von diesen Rechten Gebrauch zu machen und mit uns die Wahlen zu boykottieren.
KEINE DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ
Die meisten Menschen besitzen in diesem Land nichts, während das meiste Kapital in einigen wenigen Händen konzentriert ist. Unser tägliches Leben wird von der Wirtschaft genauso stark, wenn nicht sogar stärker, geprägt als von der Politik (und unsere Herrscher kontrollieren sowohl die Politik als auch die Wirtschaft dieses Landes), weshalb wir fragen möchten: Warum können wir zwar Gemeinde-, Kantons- und Bundespolitiker wählen, um den Staat zu verwalten, aber nicht die Leute, die die Unternehmen verwalten, in denen wir arbeiten?
Das Recht auf Privateigentum — das Recht, andere auszubeuten, um Kapital anzuhäufen — ist die Grundlage der Schweizer Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur. Hierzulande ist der Kapitalismus die herrschende Ordnung, und er ist sogar in der Bundesverfassung verankert, wo es heisst:
Mit Eigentum ist nicht der Besitz von Sachen gemeint, sondern das Recht einer kleinen Handvoll Kapitalisten, sich die Produktions- und Tauschmittel privat anzueignen und damit die gesamte Gesellschaft zu kontrollieren. Sollte nicht jeder Aspekt unseres Landes demokratisch von der Mehrheit des Volkes kontrolliert werden, das heisst von denen, die tatsächlich arbeiten und dadurch tatsächlichen Wert schaffen?
Die Kapitalisten sagen gerne, dass sie durch harte Arbeit reich geworden sind. Das ist tatsächlich so — aber nicht durch ihre eigene, sondern durch unsere. Die meisten von ihnen wurden reich geboren und verfügten bereits von Geburt an über genügend Kapital, um zu investieren und noch reicher zu werden, während wir, die ohne Kapital geboren werden, keine andere Wahl haben, als unsere Arbeitsfähigkeit an die Kapitalisten zu verkaufen und damit mehr Kapital für sie zu schaffen, mit dem sie uns ausbeuten können. Natürlich gibt es Menschen, die Innovationen schaffen oder hart arbeiten, um ein kleines Unternehmen zu führen, und das anerkennen wir auch. Aber das Grosskapital hemmt jegliche Innovation und beruht auf der Inanspruchnahme der harten Arbeit anderer Menschen: ihrer Arbeiter, kleinerer Konkurrenten und insbesondere der Menschen in der Dritten Welt, die am schlimmsten ausgebeutet werden.
Und gehen wir noch weiter zurück: Wie sind die Vorfahren der heutigen Kapitalisten, die ihren Reichtum geerbt haben (zumindest die grosse Mehrheit von ihnen), überhaupt reich geworden? Durch Diebstahl, Raub und Gewalt. Sie beteiligten sich am Sklavenhandel in anderen Ländern, kauften gestohlenes Land in den Kolonien anderer Länder, enteigneten das Land von Kleinbauern und nationalen Minderheiten in der Schweiz selbst, und so weiter und so fort. Mit anderen Worten: Sie haben sich ihr Eigentum mit Gewalt angeeignet. Wenn wir also sagen, dass die Mehrheit des Volkes, diejenigen, die tatsächlich arbeiten und diesem Eigentum überhaupt seinen Wert geben, dieses Eigentum auch übernehmen sollten, notfalls mit Gewalt, und es demokratisch statt diktatorisch (wie heute) verwalten sollten, ist das dann wirklich verwerflich?
Die Schweizer Kapitalisten, also die Minderheit der Bevölkerung, haben ihr politisches System im Sonderbundskrieg von 1847 durch eine Revolution errichtet. Warum sollte es so ungerecht sein, wenn wir, die Mehrheit der Bevölkerung, das Gleiche tun?
EIN ANTIDEMOKRATISCHES TERRORGESETZ ALS DAMOKLESSCHWERT FÜR AKTIVISTEN
Aber der kapitalistische Staat weiss, dass er nur existiert, um zu verhindern, dass die arbeitende Mehrheit die Kontrolle über die Gesellschaft übernimmt, die ihr zusteht. Dafür hat der Staat die Polizei, die Armee, den Geheimdienst und so weiter. Aber das reicht den Kapitalisten nicht; sie haben so viel Angst vor dem Volk, dass sie sich immer neue und «bessere» Methoden zur Aufstandsbekämpfung ausdenken müssen. Als bestes und jüngstes Beispiel für diesen Prozess der Reaktionarisierung (also, dass dieser Staat immer reaktionärer, sprich rückständiger wird) brauchen wir nur das im letzten Jahr in Kraft getretene «Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus» zu nennen. Dieses Gesetz schafft eine neue rechtliche Kategorie, den «terroristischen Gefährder», das heisst, eine Person, die eines Tages vielleicht mal «Terrorist» werden könnte. Terrorismus wiederum wird wie folgt definiert:
Mit diesem Gesetz kann also jeder, der sich aufrichtig über die Übel des Kapitalismus und die Notwendigkeit, ihn zu stürzen, äussert, plötzlich als «terroristischer Gefährder» bezeichnet werden. Diese Definition könnte sogar dazu verwendet werden, unser Komitee als «terroristisch» einzustufen. So verliert das Wort «Terrorismus» jede Bedeutung und kann auf fast jeden angewendet werden, was es dem Staat ermöglicht, es selektiv nur auf diejenigen anzuwenden, die er als tatsächliche oder potenzielle Bedrohung ansieht, ohne dass diese Menschen überhaupt planen, Terrorismus zu begehen.
Darüber hinaus erlaubt dasselbe Gesetz der Bundespolizei *fedpol* ohne richterliche Genehmigung, Personen ab einem Alter von 12 Jahren den Kontakt zu bestimmten Personen, das Verlassen des Landes und den Aufenthalt an bestimmten Orten zu verbieten, sie elektronisch zu überwachen und Personen ab 15 Jahren zu Hause einzusperren, weil der Verdacht besteht, dass sie eines Tages «Terroristen» im Sinne der oben genannten Definition werden könnten. Dieses Gesetz ist kein Gesetz gegen den Terrorismus, sondern ein Terrorgesetz, das legalisiert, wofür der Schweizer Staat letzendlich schon immer da war: die arbeitende Bevölkerung zu terrorisieren, also einzuschüchtern um uns davon abzuhalten, uns zu erheben und den Kapitalismus zu stürzen.
Das wirkt natürlich sehr beängstigend und demoralisierend. Aber in Wirklichkeit sind solche Terrorgesetze ein Zeichen der Schwäche der Kapitalisten. Sie beweisen, wie sehr sie sich vor einer echten Massenbewegung fürchten. Wenn Streiks, Massenproteste und Revolutionen irgendetwas beweisen, dann, dass keine Macht der Welt in der Lage ist, eine Bewegung oder Sache zu zerschlagen, sobald genügend Menschen sie unterstützen. Dann sind alle ihre Gesetze nur noch wertlose Fetzen Papier.
DIE SCHWEIZ HAT EINE TRADITION DES WAHLBOYKOTTS
Wir haben den Wahlboykott nicht erfunden. Er wurde in der Schweiz schon vor uns durchgeführt, vor allem von den am meisten unterdrückten und entrechteten Menschen. So wurde in den 1960er und -70er Jahren Boykottkampagnen unter der Parole «Klassenkampf statt Wahlteather» von Kommunisten organisiert, die sich gleichzeitig mit entrechteten Frauen und Migranten solidarisierten und die damalige Teuerungswelle thematisierten.
Doch das Paradebeispiel dafür waren die Boykottkampagnen der Kommunistischen Partei der Schweiz 1918-21, unter anderem gegen die eidgenössischen Wahlen 1919 unter dem Motto «Wählt Arbeiterräte, nicht Nationalräte!». Damals boykottierten nicht nur viele Tausende von Arbeitern die Wahlen, in expliziter Solidarität mit Migranten und Frauen, sondern Arbeiter und Soldaten schufen unter kommunistischer Führung auch eine konkrete Alternative zum kapitalistischen Staat: die Rätedemokratie.
Dieses rätedemokratische System wurde von den Kommunisten vor allem in Zürich, aber auch an anderen Orten aufgebaut. Während des Landesstreiks im November 1918 wurden Arbeiter- und Soldatenräte gewählt, und Arbeiter begannen sich mithilfe von revolutionär gesinnten Soldaten zu bewaffnen und eine Art Miliz zu bilden. Mitglieder der Kommunistischen Partei, die zuvor als Parlamentarier für die Sozialdemokraten tätig waren (zum Beispiel in Winterthur), gaben ihre Ämter auf, um sich ganz dem Kampf für diese echte Form der Demokratie von unten zu widmen. Der kapitalistische Staat schickte die Armee, um Zürich zu besetzen und die Rätebewegung niederzuschlagen. Doch die Kommunisten und Arbeiter, die den Keim einer neuen Gesellschaft, in der sie die Macht haben würden, miterlebt hatten, setzten den Kampf fort und organisierten erfolgreich einige Arbeiterunionen (Dachverbände aller wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Organisationen in einem Gebiet) zu Räten um. Die Rätebewegung, die vor allem unter den Metall- und Holzarbeitern stark war, existierte weiter und wurde von den Kommunisten bis 1921 angeführt, als die Kommunistische Partei vom linken Flügel der Sozialdemokratie (man denke an die Juso) übernommen wurde und diese real vorhandene Alternative aus dem Parteiprogramm gestrichen wurde.
ABER WAS IST RÄTEDEMOKRATIE?
Die Rätedemokratie ist ein politisches System, dessen Kern Abgeordnetenräte sind, die die arbeitende Bevölkerung vertreten. Die Abgeordneten dieser Räte werden in Massenversammlungen von allen gewählt, die keine Kapitalisten sind. Diese Versammlungen finden in Betrieben, Quartieren, Dörfern, Militäreinheiten, Schulen und Institutionen statt. Die Versammlungen wählen nicht nur Abgeordnete, sondern treffen auch Entscheidungen, an die sich die Räte halten müssen. Ausserdem werden die Abgeordneten nicht nur regelmässig gewählt (zum Beispiel alle paar Monate), sondern sie können auch jederzeit von ihren Wählern abgewählt werden und erhalten lediglich Mindestlohn, ohne dass sie besondere Privilegien geniessen. Die Räte machen auch nicht nur Gesetze, sondern setzen sie auch durch ihre Gremien um, die aus ihren eigenen rechenschaftspflichtigen Mitgliedern und nicht aus einer Armee von Beamten und Bürokraten bestehen. Ausserdem werden diese Räte nicht nur in den lokalen Gesellschaftseinheiten gewählt, sondern in jeder Stadt, jedem Bezirk, jeder nationalen Region und im ganzen Land. Und letztlich regeln die Räte nicht nur das politische System, sondern auch das Wirtschaftssystem in ihrem Zuständigkeitsbereich. Auf diese Weise wird die gesamte Gesellschaft vollständig demokratisch.
Die Räte sind gleichzeitig ein demokratisches Rechtssystem, in dem die Abgeordneten als demokratisch gewählte und abwählbare Richter fungieren und die Geschworenen nach dem Zufallsprinzip aus der arbeitenden Bevölkerung ihrer Wahlkreise ausgewählt werden. Die Polizei und die Miliz sind den Räten direkt unterstellt und müssen sich aus einfachen Menschen aus ihren Wahlkreisen zusammensetzen, so dass das derzeitige System der Polizei und des Militärs als Waffen in den Händen des kapitalistischen Staates beendet wird.
Wir wollen einen aktiven Wahlboykott, keinen passiven, denn wir haben eine echte Alternative ─ Demokratie für die arbeitende Mehrheit. Wir boykottieren die Wahlen nicht, weil wir unpolitisch sind, sondern weil wir ausdrücklich politisch sind. Wir boykottieren die Wahlen nicht, weil wir gegen Politik sind, sondern weil wir Politik für diejenigen machen wollen, die ganz unten stehen ─ die Nichtwähler, die Entrechteten, deren Träume und Hoffnungen nicht in die heutigen Wahlurnen passen. Die Geschichte zeigt, dass die Kombination von Wahlboykottkampagnen mit der Werbung für das Rätesystem unter breiten Bevölkerungsschichten sehr effektiv ist und sogar zur Bildung von Räten in diesem Land geführt hat, etwas, das in lokalen Orten bereits vor einer erfolgreichen Revolution möglich ist.
Die Geschichte zeigt auch, dass die herrschende Klasse die embryonale neue Gesellschaft, die die Rätedemokratie darstellt, bei der ersten Gelegenheit abtreiben wird, weshalb die Räte im Geheimen arbeiten müssen und offen für das Volk, aber verschlossen für seine Feinde sein müssen. Um tatsächlich einen Staat zu schaffen, der auf den Prinzipien des Rätesystems basiert, brauchen wir eine Revolution, da diese Organisationsform der kapitalistischen Demokratie völlig entgegengesetzt ist und die Räte das Parlament durch ihre blosse Existenz entlarven. Sie können nicht auf Dauer koexistieren. Und weil wir wissen, dass die Kapitalisten ihre Macht niemals freiwillig aufgeben und wie vor über 100 Jahren in Zürich Truppen gegen uns schicken werden, muss ein bewaffnetes Volk die Räte und die Revolution zur Errichtung einer gesamtschweizerischen Regierung des arbeitenden Volkes verteidigen und die Räterepublik ─ den ersten Staat in der Geschichte dieses Landes, der die Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert ─ gegen ausländische Invasionen und Bürgerkrieg schützen.
Aber wir müssen uns nicht auf historische Beispiele beschränken. In Indien regeln heute Hunderttausende von Menschen ihr eigenes Leben durch das Rätesystem in den von den «Naxaliten» kontrollierten Gebieten, holen sich ihr Land von den Feudalherren zurück, befreien Frauen und queere Menschen von den Fesseln des Patriarchats, helfen Kranken, Alten, Waisen und Behinderten und betreiben viele weitere revolutionäre Bestrebungen. Konkret wird die Rätedemokratie durch den Boykott der Wahlen des korrupten indischen Staates vorangetrieben. Aber diese Räte, die Revolutionäre Volkskomitees genannt werden, können nur inmitten eines brutalen Bürgerkriegs vorankommen, weil der indische Staat, der von eben jenen Grosskapitalsiten und Feudalherren regiert wird, die von den Arbeitern, Bauern und Ureinwohnern unter Führung der Naxaliten verdrängt werden, nicht tatenlos zusieht, sondern entschlossen ist, die indische Revolution in Blut zu ertränken. Wir sollten diese Volksrevolution in Indien nicht nur verteidigen und unterstützen, sondern uns auch von ihr in unserem eigenen Kampf inspirieren und motivieren lassen.
Wir stellen also nicht nur die Frage eines Boykotts dieser Scheindemokratie, sondern bieten auch die Lösung zu ihrer Überwindung — die Rätedemokratie.
SCHLIESS DICH 71,4% DER GESAMTBEVÖLKERUNG AN: GEH NICHT WÄHLEN!
71,4 % der Gesamtbevölkerung der Schweiz beteiligen sich nicht an den Wahlen, wie die Zahlen der Eidgenössischen Wahlen 2019 ergeben haben. Diese Zahl umfasst sowohl Nichtwähler als auch wahlrechtslose Personen. Hinzu kommen 0,4 % der Bevölkerung, die entweder leere oder ungültige Stimmzettel abgeben, von denen ein Grossteil die Wahlen ablehnen. Siehe die folgende Tabelle:
Tabelle von Nichtwählern und Wählern 2019
KATEGORIE | ANZAHL | PROZENTTEIL DER GESAMTBEVÖLKERUNG |
---|---|---|
Gesamtbevölkerung | 8'606'033 | 100,0% |
Wahlberechtigte | 5'459'218 | 63,4% |
Gezählte Stimmen | 2'462'641 | 28,6% |
Gültige Stimmzettel | 2'424'251 | 28,2% |
Ungültige Stimmzettel | 29'015 | 0,3% |
Leere Stimmzettel | 9'366 | 0,1% |
Wahlrechtslose | 3'146'815 | 36,6% |
Haben nicht gewählt | 6'143'392 | 1,4% |
Haben nicht oder nicht gültig gewählt | 6'181'782 | 71,8% |
Mit anderen Worten, fast 3/4 der Bevölkerung nehmen bereits nicht an den Wahlen teil. Würde sich ihre Stimmenthaltung in der Zusammensetzung des Nationalrats widerspiegeln, wobei die leeren Sitze die Nichtwähler repräsentieren, sähe das Parlament folgendermassen aus:
Wie würde das Parlament aussehen wenn Nichtwähler Sitze hätten?
Das beweist, dass die Mehrheit der Bevölkerung zumindest offen, wenn nicht gar bereit ist, einer Alternative eine Chance zu geben. Doch Enthaltung allein reicht nicht aus, sie muss in Boykott umgewandelt werden. Und dazu gehört, dass Menschen, die nicht wählen oder nicht wählen können, sich ausserhalb des politischen Systems politisch einbringen, zum Beispiel in der Wahlboykottkampagne und im Kampf für die Rätedemokratie. Das ist der Grund und Zweck des Komitees für Wahlboykott.
UND JETZT? WAS TUN?
Wenn du all das gelesen hast und mit unserer Grundhaltung übereinstimmst, solltest du dich an der Wahlboykottkampagne beteiligen! Es gibt mehrere Möglichkeiten, dies zu tun:
- Erstens kannst du dich über die «Kontakt»-Seite mit uns in Verbindung setzen, um Fragen zu stellen oder um Kommentare zu bitten. Am besten geht das über SimpleX Chat, du kannst uns aber auch verschlüsselte Emails schicken.
- Zweitens findest du auf der «Material»-Seite dieser Website Aufkleber und Poster zum herunterladen und ausdrucken. Wenn du in einem zweisprachigen Ort oder nicht in der Deutschschweiz wohnst und Interesse an übersetztem Material hast, melde dich!
- Drittens kannst du dich mit Leuten aus deiner Umgebung in Verbindung setzen, um sie für das Aufhängen von Material, die Zerstörung von Wahlpropaganda, die Verbreitung der Kampagne und ihrer Slogans und ähnliche Aktivitäten zu mobilisieren.
- Viertens kannst du uns ein Unterstützungsschreiben schicken, das wir auf unserer «Unterstützer»-Seite veröffentlichen werden. Das gilt sowohl für Organisationen und Gruppen, als auch für Leute, die einfach öffentlich ihre Unterstützung zum Ausdruck bringen möchten.
- Fünftens kannst du dich mit uns in Verbindung setzen, um mit Genossen in Kontakt zu kommen, die verschiedene Arten von Lesegruppen über politische Theorie leiten und Vorträge halten, wenn du daran interessiert bist, mehr zu lernen.
- Sechstens kannst du zusammen mit anderen Menschen, die die Boykottkampagne unterstützen, eine Ortsgruppe gründen und damit beginnen, die Forderungen und Kämpfe der Menschen in deiner Umgebung so zu organisieren, dass sie dem Kampf für die Rätedemokratie dienen.
Die Wahlboykott-Kampagne wäre ohne die Beteiligung von normalen Menschen — ohne deine Beteiligung — nichts wert. Der Kampf für die Rätedemokratie, für eine bessere Gesellschaft, beginnt im Quartier, am Arbeitsplatz, im Dorf, in der Militäreinheit, in der Schule, in den Institutionen — er beginnt bei dir.